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Die Wilden Kerle und die Ponys

Ich habe eine Jungsgruppe. Vier wilde Kerle im Alter von +/- zehn Jahren. Es war keine Absicht damals explizit nur Jungen in die 4er Gruppe aufzunehmen, sondern es hat sich so ergeben.
Auch wenn das wirklich alle Klischees bedient, sie sind so „typisch Bub“, wie es in dem Alter oft beschrieben wird. Laut, wild und stürmisch. Sicher, Lars ein Junge dieser Gruppe, möchte immer wieder mehr Ruhe und auch Gehör finden, aber es ist einfach zu turbulent.

Ganz ehrlich, ich stehe alle zwei Wochen vor immer der gleichen Herausforderung.

Aber, egal wie sie ankommen, egal was sie mitbringen, egal wieviel Energie sie zu viel haben, am Ende sind sie ganz ruhig, entspannt und sehr einfühlsam.
Was geschieht dazwischen? Eine Frage, welche mir eine Praktikantin gestellt hat, die leider nicht immer bei solchen Settings anwesend sein kann, sondern auf meine Schilderungen angewiesen ist.

Ich möchte gerne von unserer Stunde gestern berichten. Die Entwicklung von überbordender Aktion, bis hin zu totaler Entspannung aller Beteiligter war unglaublich.

Gestern:

Die Jungs kamen an und wie immer stand mir Rafael fast auf die Füße, um einen Spaziergang mit den Pferden zur Eisdiele einzufordern. Meine immer wieder selbe Antwort, dass wir so etwas machen, wenn es wirklich sehr, sehr warm ist, überhört er geflissentlich und kickt frustriert einen leeren Eimer um.
Dies hat zur Folge, dass Tommy und Marty ihn ordentlich anpfeifen. Die zwei sind sehr große Fans von mir und versuchen sich immer wieder als Erziehungshelfer, wenn auch manchmal mit fragwürdigen Methoden. „Wir könnten ein Spiel machen, bei dem Rafael den Mund zugeklebt bekommt, Jutta“ war zum Beispiel mal ein Lösungsansatz von Marty, um die immer gleichen Diskussionen mit Rafael zu unterbinden.

Wir beginnen die Stunde immer mit dem Putzen der Pferde. Es geht hierbei nicht um die tatsächliche Reinigung des Felles, sondern um eine Form der Kontaktaufnahme mit den Tieren. Hierbei beginnt schon der Prozess des Coachings. Die Pferde sind sehr auf ein sicheres Umfeld angewiesen. Inzwischen merken meine Jungs sehr schnell, wenn ihre Konflikte untereinander, ihre lauten Stimmen und oft stürmisches Verhalten, sich auf das Pferd auswirken. Ich brauche sie schon lange nicht mehr darauf aufmerksam machen, wenn das Pferd unruhig ist, reagieren sie alle gemeinsam mit einer Verhaltensänderung hierauf.
Manchmal bin ich ganz gerührt, wie sehr sie sich darum bemühen, dass es allen in der Gruppe gut geht. Gerade Lars und das Pferd genießen das gemeinsame Putzen sehr.
Anschließend folgt eine Übung als Gruppe.

Gestern war die Aufgabe: Baut eine „Burg“ und ladet die zwei Shettys ein, diese zu betreten und dort mit euch allen zu verweilen.
Mit Getöse und Gebrüll ging es auf den Sandplatz, um sofort mit dem Bau zu beginnen.  Die Ponys und ich wurden vergessen, bis ich die zwei auf dem Platz bei den Jungs freilaufen ließ. In wildem Galopp, bocken und springend düsten sie über den Platz. Die Jungs waren beeindruckt und hatten sichtlich Spaß an dem Spektakel, bis Tommy die Frage aufbrachte, wie man die zwei so in die Burg bringen sollte. Die stand ja noch nicht einmal. Die Gruppe beschloss, sich erst mal um ihr Bauvorhaben zu kümmern. Während die Burg wuchs und wuchs, begannen die Ponys Neugier zu entwickeln, stellten ihre wilde Jagd ein und kamen vorsichtig näher.
Bis die Burg fertig war, war auf dem Platz für uns alle eine richtig entspannte Atmosphäre. Innerhalb der Gruppe wurde diskutiert, Aufgaben verteilt und eifrig Material angeschleppt.
Fertig und jetzt sollten die Ponys da rein…. und das schnell und umgehend. Die Kinder dürfen bei solch einer Intervention die Tiere nicht berühren und locken. Sie haben die Möglichkeit mit Schwimmnudeln oder Ringen mehr Raum einzunehmen und ihre Gestik zu verstärken.

Alle vier „bewaffneten“ sich und stürzten sich hoch motiviert auf ihr Vorhaben. Diese plötzliche Hyperaktivität kam den Ponys mehr als seltsam vor und sie flitzen erst einmal davon. Vor einem Jahr noch, wären die Jungs den Rest der Stunde hinterher gedüst, bis die Erschöpfung sie gebremst hätte. Wobei ich nie den Eindruck hatte, dass sie überhaupt erschöpft sein können. Die Eltern bestätigen mir auch meinen Eindruck und dies nicht unbedingt mit großer Begeisterung 😉
Die Reaktion der Ponys löste ein Gespräch innerhalb der Gruppe aus. „Wie können wir…? Wer macht jetzt was… ? Welcher Weg ist der Beste? Das eine Pony läuft immer dem einen hinterher, dass ist wichtig! …….“ Für mich ist das immer wieder unglaublich und sehr berührend, wie zielführend und rücksichtsvoll Kinder in dem Alter vorgehen. Erwachsene, welche ich oft in ähnliche Interventionen einbinde, tun sich da meist schwerer.
Nachdem ein Plan gefasst war, jeder seine Aufgabe hatte, ging es ratzfatz und die Ponys standen in der „Burg“. Ganz still jubelten die Jungs und strahlten mich stolz an. Dabei kraulten sie die Ponys, welche entspannt zwischen ihnen standen.
Es ist nicht zu beschreiben, wie sich diese Atmosphäre anfühlt, aber es ist toll, berührend und macht glücklich.

Was nehmen die Kinder aus so einer Übung mit?
Sie werden reflektiert, können Verhaltensänderungen ausprobieren und den für sie richtigen Weg gestalten.
Auf dem Platz ist es ein großartiges Spiel, transferiert in den Alltag eine wunderbare Erkenntnis und Bereicherung.

Anmerkung:

Die Namen der Jungs sind frei erfunden, die Jungs selber nicht.
Natürlich ist das eine oberflächliche Beschreibung der Stunde, die Jungs werden nicht nur als Gruppe gesehen, jeder Einzelne wird individuell von mir wahr genommen und begleitet.

 

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