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Rampensau

Rampensau

Ein großer Teil meiner Tätigkeit umfasst den Austausch mit Eltern von Kindern und Jugendlichen, welche bei mir regelmäßig Termine haben.
Sehr wichtig ist das Vorgespräch, in dem erst einmal der Anlass hinterfragt wird, warum das Kind oder der/die Jugendliche Unterstützung braucht.

Themen wie Schulangst, Konzentrationsmangel, Frustrationstoleranz gehören zu den häufigsten Stichwörtern, wobei ich keine Statistik führe.

Das häufigste Thema überhaupt ist aber sicher das Selbstbewusstsein. Immer wieder höre ich von den Eltern, dass sie ihre Kinder als zu still und verträumt empfinden und sich wünschen sie würden mehr aus sich herauskommen.

Wenn ich dann nachfrage, was genau sich denn für Probleme aus dieser zurückhaltenden Art ergeben, kommen erstaunlicherweise manchmal wenig Information und Gründe.

Also fasse ich hin und wieder ein Gespräch so zusammen: Ein ruhiger, introvertierter kleiner Mensch, der insgesamt prima mit sich und der Umwelt zurechtkommt. Die Eltern wünschen sich aber eine Rampensau.
Das ist jetzt natürlich sehr, sehr überspitzt gesagt, aber es wirkt manchmal so auf mich.

Ein Beispiel hierfür ist ein Junge, der vor circa 2 Jahren zu mir kam.  Connor* war damals sechs Jahre alt und war gerade eingeschult worden.
Vorher galt er zuhause und im Kindergarten als zurückhaltend und verträumt. Warum wurde er denn schon eingeschult, war meine Frage an die Mutter.

Connor sei sehr begeisterungsfähig und wenn ihn etwas interessiert, würde er sich intensiv und ausdauernd damit beschäftigen. Er wollte bereits mit vier Jahren schreiben und rechnen und eignete sich dank seiner 8-jährigen Schwester ein fundiertes Basiswissen für die Grundschule an.

Connor sei nun laut seiner Klassenlehrerin sehr still und scheint noch nicht Teil der Klassengemeinschaft geworden zu sein. Er habe eine Freundin in der Klasse, die er auch sehr unterstützt, da sie aufgrund sprachlicher Barrieren dem Unterricht noch nicht gänzlich folgen kann und insgesamt keinen Anschluss findet.
Auf Ansprache der Lehrerin oder Klassenkamerad/en/innen reagiere Connor oft mit freundlicher Ignoranz.

Nun gut, meine Pferde und ich lernten Connor kennen. In den Coachings mit den Pferden werden sehr schnell Eigenschaften von Menschen sichtbar, die oft verborgen erscheinen.
Connor zeigte sich sehr still, freundlich und offen für alle Übungen, die er mit den Pferden machen durfte.
Am Ende der Stunde fasse ich mit den Kindern das Erlebte zusammen und wir überlegen gemeinsam, ob es im Alltag ähnliche Situationen gibt.
Da die Kinder die Zusammenarbeit mit den Pferden auf unterschiedlichste Weise gestalten, lassen sich auch die individuellen Stärken und Schwächen auch sehr gut sichtbar machen.
Connors Stärke war eindeutig die große Ruhe und Besonnenheit, mit der er ihm, unbekannte Aufgaben anging. Fast schien es, er träumte einfach weg. So war es aber nicht.

Die Pferde reagierten mit so einer hohen Aufmerksamkeit auf Connors „Denkphasen“ und warteten immer gespannt auf Connors Reaktion.

Dies zeigte mir, dass in dem kleinen Jungen sehr viel vorging, während er in aller Ruhe still dasaß.

Nach den Stunden wiederum war Connor immer sehr gesprächig und sogar manchmal etwas aufgekratzt.
Einmal sagt er mir ganz klar, dass er es toll findet mit den Pferden Aufgaben zu machen. Da darf er immer so lange er möchte einen Plan machen und die Pferde warten immer auf ihn.

Ich sah sehr schnell keinen Grund, Connor in Einzelsettings zu treffen und er kam in eine Kleingruppe, gleichaltriger Kinder.

Hier war Connor so souverän und das in Stille. Er kommunizierte nur das Nötigste, um Absprachen mit den anderen Gruppenmitgliedern zu treffen, seine Vorschläge einzubringen oder Fragen zu stellen.
Die anderen Kinder respektierten ihn so und merkten sehr schnell, dass Connor einen wichtigen Beitrag leisten konnte, wenn es um die Kooperation mit den Pferden ging.
Connor kam ganz leise und still in eine Führungsposition der Gruppe.

Warum? Weil Connor seine Stärken sehr gezielt einsetzt. Er handelt erst, nachdem er sich Klarheit verschafft hat und für sich einen zuverlässigen Plan entwickelt hat. Seine Vorgehensweisen sind immer sehr zielgerichtet und er bringt ein hohes Maß an Konzentration auf, um das Ziel zu erreichen.
Das er dabei nur das Notwendigste kommuniziert, ist für die Gruppe eine große Hilfe. Sie nehmen es auf, wie eine Spielanleitung. Trotzdem hört Connor immer, zum Beispiel bei Einwänden, zu und reagiert immer mit Interesse und Einfühlungsvermögen darauf.

Die Zusammenarbeit mit den Eltern war sehr intensiv und wir tauschten und regelmäßig aus.
Je mehr sie von den Settings und den Erfahrungen ihres Sohnes von mir und ihm hörten, umso mehr begriffen sie, dass ihr Connor wahrscheinlich eher nicht in der ersten Reihe im Schulchor Lieder schmettert und tobend mit einer Horde Jungs über den Spielplatz saust.
Connor ist zufrieden mit sich, mit seiner Familie und geht gerne in die Schule.
Genauso wie er ist, ist er ein ganz toller und glücklicher Junge.
Interessant, dass die Pferde und die anderen Kinder dies nie in Frage gestellt haben.

Connors Mutter erinnerte mich kürzlich an meine Aussage aus unserem Vorgespräch: Ich mache hier keine Rampensäue. Ich möchte die Kinder, mit Hilfe der Pferde, ihre Stärken entdecken lassen.

Connors Stärke ist die Ruhe, die er hat ………. und er hat eine beste Freundin, das oben genannte Mädchen aus seiner Klasse.

*  der Name ist natürlich geändert, 

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